Seit Jahren ist der Begriff der Faszien allgegenwärtig im Gesundheits- und Fitnessbereich. Alle haben davon gehört, doch die wenigsten wissen, um was genau es sich dabei handelt. Im folgenden Text versuche ich euch die grundlegenden Informationen zum Thema Faszien und Faszienmassage zu geben und dies möglichst einfach und verständlich. Darüber hinaus gebe ich euch auch Einblicke in meine Arbeit und praktischen Erfahrungen meiner Klienten und mir selbst im Rahmen des Themas Faszien und Faszienmassage.
Definition – Was sind die Faszien?
Die Faszien oder das Faszialgewebe – unser größtes „Sinnesorgan“ (Van der Wal, 2009) – beschreibt das Bindegewebe bzw. einen besonderen Teil davon. Sie durchziehen und verbinden praktisch den gesamten Körper von den Zehen bis zum Kopf und sind untereinander verwoben. Die Faszien umschließen die Organe, die Muskeln, die Gelenke, die Sehnen und Blutgefäße sowie die Knochen, die Nerven, das Rückenmark und das Gehirn.
Das Faszialgewebe gibt dem Körper seine Ordnung und Stabilität, d.h. sie halten beispielsweise die Organe an ihren Plätzen und die Muskeln zusammen. Eine weitere Hauptaufgabe der Faszien ist das Speichern und das gezielte Abgeben von Bewegungsenergie (Reboundeffekt ähnlich einer Sprungfeder).
Zudem ist dieses Gewebe in der Lage zu erfühlen, in welcher Lage und Position es sich befindet. Diese Informationen werden dann an das zentrale Nervensystem und den Muskel weitergegeben, was wiederum dessen Spannung (Muskeltonus) beeinflussen kann. So sind sie als „Sinnesorgan“ wichtiger Bestandteil der körperlichen Selbstwahrnehmung, da sie über ihr Feedback helfen, das Gleichgewicht in schwierigen Situationen zu halten und über ihre Ansteuerung von Muskeln und Sehnen dreidimensionale Bewegungen auszuführen. Des Weiteren lassen sich durch sie funktionelle Störungen, Verspannungen und Fehlhaltungen schneller aufspüren.
Da es in meinem heutigen Text um Entspannung durch Faszienmassage gehen soll, werde ich mich auf den Bereich Muskulatur fokussieren. Um die Faszien hier noch einmal vereinfacht zu veranschaulichen, vergleiche ich das Gewebe gerne mit den weißen Strukturen einer Orange oder Grapefruit, die das Innere durchziehen.
In diesem Teil der Muskulatur entsteht ein Großteil der klassischen Verspannungen, die wir alle haben und unter denen wir häufig leiden müssen. Diese – im Volksmund gerne Verklebungen genannt – sind meist schmerzhafte Funktionsstörungen unserer Muskulatur. Einfach ausgedrückt, verhindern solche Verklebungen im Faszialgewebe die korrekte Ausführung der spezifischen Arbeit eines Muskels, was dann zu den leidigen Verspannungen führt. Genau hier setzen entsprechende Faszienmassagen an.
Definition – Was ist eine Faszienmassage und was soll sie bewirken?
Bevor ich auf diese Frage konkreter eingehe, versuche ich zuerst die Faszienmassage von der klassischen Massage abzugrenzen.
Einfach gesprochen wird bei einer klassischen Massage grundsätzlich der akute, schmerzhafte Punkt gezielt an Ort und Stelle des Symptoms behandelt. Man versucht direkt den Schmerz zu verbessern. Da es hier aber nicht um die Ursache der Verspannung oder Funktionsstörung geht, wird meist nur eine kurzzeitige Verbesserung der Schmerzsymptomatik erreicht.
Nun zu der Frage, was ist die Wirkung einer Faszienmassage. Eine Selbstmassage der Faszien (auch Self-Myofascial Release genannt) ist eine Art Manipulation der Muskeln und Faszien. Durch sehr langsames Ausrollen oder durch gezieltes Halten der schmerzauslösenden Muskulatur und deren Faszien machen wir diese geschmeidiger. Es wird versucht den Muskel in seinem verklebten Korsett wieder Bewegungsfreiheit zu verschaffen und somit den erhöhten Zug aus der Schmerzgegend zu verkleinern.
Wichtig zu erwähnen ist, dass sich meistens die schmerzauslösende Verklebung nicht an Ort und Stelle des Schmerzes selber befindet. So sind zum Beispiel sehr häufig die Verklebungen der Brustmuskulatur auschlaggebend für Schmerzen im Schulter-Nackenbereich und im oberen Rücken zwischen den Schulterblättern. Mit einer Faszienmassage betreiben wir also eine Ursachenforschung, die zu einer nachhaltigen Verbesserung des Schmerzes, der Funktionalität sowie der Ansteuerung eines Muskels führen soll. Bei entsprechender Behandlung und Ausführen führt diese Form der Massage häufig zu einer direkten positiven Wirkung und sichtbaren Veränderung z.B. in der Körperhaltung.
Wie kann man verklebte Faszien lösen?
Um einen kurzen Einblick in die Selbstbehandlung zu geben, gibt es nachfolgend eine kleine Anleitung für die Faszienmassage. Diese Anleitung bezieht sich hauptsächlich auf die Lösung von Verspannungen mit Faszienrolle oder –ball sowie der Faszienmassage ohne Rolle bzw. Tools.
Ich muss betonen, dass diese Faszienübungen schmerzhaft, aber aushaltbar sind. Grundsätzlich sind diese Übungen ungefährlich – entweder sie funktionieren oder nicht. Für den Fall, dass sich zu starke Schmerzen zeigen, die Übung umgehend stoppen und gegebenenfalls einen Arzt, Physiotherapeuten oder Faszienmassage Therapeuten aufsuchen!
Nachdem ein Schmerzpunkt oder das verklebte Faszialgewebe identifiziert und lokalisiert wurde, gilt es die passende Übung zur Lösung der Verklebungen zu finden. Wichtig ist hier zu sagen, dass häufig die verklebte schmerzende Stelle nur das Symptom ist, der Auslöser aber eine ganz andere Ursache ist – sei es eine funktionelle Störung innerhalb der gesamten Faszienkette oder eines fehlerhaften Bewegungsmusters (Fehlbelastung), was zu Verspannungen in der Gegenmuskulatur führt.
Beispielsweise ist am häufigsten die Verspannung und „Verkürzung“ der Brustmuskulatur für die klassischen Verspannungspunkte zwischen den Schulterblättern verantwortlich. Im weiteren Verlauf werde ich kurz den beispielhaften Verlauf einer Faszienmassage mit der Schaumstoffrolle für die Verklebungen der Oberschenkelfaszie beschrieben. Diese Ausführung hat sich während meiner Arbeit als am erfolgversprechendsten erwiesen und lässt sich auf andere Verklebungen übertragen. Besonders vor dem funktionellen Training sollte man sich dehnen und warm machen.
Mehr Infos dazu hier:
Ich nutze die folgende Grundübung zur Lockerung der Oberschenkelfaszien um somit den muskulären Zug an der Hüfte und am Knie zu verkleinern. Hierzu begibt sich mein Klient in den Unterarmstütz und legt sich mit beiden Oberschenkeln auf die Faszienrolle. Nun nutze ich die ersten 10-15sec um den Klienten den Oberschenkel langsam auszurollen zu lassen. Dieser merkt schnell die die schlimmsten Verspannungsbereiche (immer auch im dem Gesicht lesbar). Nun kommt der wichtigste Teil der Behandlung. Der Klient verharrt jetzt auf diesem Schmerzpunkt.
Es ist essentiell, dass die Muskulatur hierbei entspannt bleibt. Sobald die Muskulatur anspannt, haben wir „nur“ noch eine Druckmassage, welche nicht die Faszie löst. Der Klient nutzt den Unterarmstütz um das Gewicht bei zu hohem Schmerz zu verlagern. Es ist wichtig, dass man in der Schmerzskala nicht über eine 10 hinausgeht, sondern im Bereich von 8-9 bleibt – Stufe 10 heißt, dass man aufgrund des Schmerzes den Muskel anspannen muss.
Nun stellt sich die Frage, wie lange es dauert Faszien sich lösen? Beginnen würde ich – nachdem man den „schönsten“ Schmerzpunkt gefunden hat – mit 40sec. Dies kann man dann über mehrere Wochen oder Monate auf bis zu 2min 30sec ausdehnen. Um danach den Gewebsflüssigkeitsstau aufzulösen am Ende nochmals 10-15sec den Muskel sehr langsam (millimeterweise) ausrollen.
Grundsätzlich gibt es zwei Varianten für diese Form der Faszienmassage:
- Man bewegt das Tool sehr langsam über den Muskel
- Man bleibt auf der Stelle und bewegt den Muskel über oder unter dem Druckpunkt hindurch (z.B. kann man bei der oben genannten Oberschenkelübung im Unterarmstütz am Ende abwechselnd ein Bein langsam anwinkeln und wieder ausstrecken).
Bei speziellen Fasziendehnübungen halte ich es mit der Haltezeit sehr ähnlich – mindestens 40sec die Dehnposition halten. Auch hier ist es wichtig, dass der zu dehnende Muskel passiv (entspannt) in Dehnung versetzt wird. Falls der Dehnungsreiz deutlich nachlässt, lässt sich in vielen Dehnpositionen durch leichtes Verschieben in der Position die Dehnung wieder erhöhen.
Welche Techniken der Faszienmassage gibt es?
In meiner Ausbildung im Bereich Functional Myofascial Training werden fünf verschiedene Techniken angesprochen, die gut verdeutlichen wie, zu welchem Zweck und wann diese Übungen auszuführen sind:
- Swing-Roll – ein sehr schnelles und schwungvolles Rollen entlang der Faserrichtung der Faszienleitbahn, zu nutzen vor dem Training zur Aktivierung der Muskulatur
- Speed-Roll – möglichst schnelles rollen und/oder bewegen der zu bearbeitenden Muskelregion, zu nutzen vor dem Training zur Aktivierung der Muskulatur
- Slow-Roll – sehr langsames Rollen entlang der Faserrichtung der Faszienleitbahn, zu nutzen nach dem Training zur Entspannung der Muskulatur
- Trigger-Roll – gezielte (punktuelle) und haltende Kompression der verklebten Faszienstelle, zu nutzen nach dem Training zur Entspannung (individuell auch vor dem Training sinnvoll)
- Shift-Roll – Gewebeverschiebung quer zur Faserrichtung der Faszienleitbahn mit haltendem Druck und zusätzlicher Bewegung (Shift), zu nutzen nach dem Training zur Entspannung.
Im Verlauf dieses Beitrages fokussiere ich mich auf die Entspannungstechniken der Faszienmassage nach dem Training. An dieser Stelle ist es mir wichtig nochmals zu betonen, dass ein schnelles Rollen, wie leider sehr häufig zu beobachten, der Aktivierung von Muskeln und nicht der Entspannung dient. Es ist nicht per se falsch, aber der beabsichtigte Sinn und Zweck der ausgeführten Übung – das Entspannen und Lösen von Verklebungen – ist nicht wirklich zu erreichen.
Wie häufig sollte man die Faszienrolle etc. nutzen?
Pauschal kann man sagen, dass – wie es immer im bei Veränderungen ist – je häufiger man desto schneller stellt sich die Veränderung ein. Das Wichtigste ist, dass man konstant am Ball bleibt und eine gewisse Regelmäßigkeit in den eigenen Trainingsalltag implementieren kann. Für die meisten meiner Klienten habe ich eine Faszien-Workoutroutine entwickelt, welche sie 2-3-mal pro Woche durchführen. Bei sehr starken Verspannungen macht es aber auch Sinn häufiger tätig zu werden. Bei den klassischen Schulter- und Nackenverspannungen machen einige ihre Übungen auch 2-3 pro Tag.
Welche speziellen Faszientools gibt es?
Bevor ich einige der gängigsten und am leichtesten zu benutzenden Faszienmassagegeräte kurz vorstelle, möchte ich nur die beiden wichtigsten Merksätze zur Wahl des richtigen Hilfmittels nennen:
Je kleinflächiger und punktueller die Verspannung bzw. Verklebung desto kleiner das Tool.
Je härter das Hilfsmittel desto intensiver die Behandlung.
Das wohl bekannteste Tool zur Faszienmassage ist die Fazienrolle. Diese dient hauptsächlich zur Selbstbehandlung großer Muskeln oder Muskelgruppen. In unterschiedlichen Ausführungen, Designs und Härtegraden kann man perfekt die Verklebungen z.B. der Beine lösen. Die Preise bewegen sich hier im Schnitt zwischen 10 Euro (nur Rolle) bis hin zu 100 Euro (für Sets oder Vibrationsrollen).
Für die kleineren Muskeln bzw. zur punktuelleren Behandlung von Verklebungen für beispielsweise eine Faszienmassage am Nacken oder im Schulterbereich eignen sich Faszienbälle(8-12cm, auch als Doppelball oder Duoball erhältlich) oder die noch kleineren Hartgummibälle (z.B. Lacrossball) oder Golfbälle für z.B. eine Faszienmassage am Fuß. Hier eignen sich keine Tennisbälle oder Igelbälle, da die viel zu weich oder nur viel zu punktuell mit zu wenig Druck nutzbar sind. Die Golf- und Hartgummibälle sind schon für wenige Euros zu haben. Duobälle beginnen bei 10 Euro und gehen klassisch bis zu 60 Euro (Sets mit Rolle und Ball) sowie ca. 150 Euro für die speziellen BALLance Bälle.
Des Weiteren sind aktuell sogenannte Massagepistolen der Renner. Diese erlauben mit ihren vielseitigen Aufsätzen und Geschwindigkeitsstufen eine Selbstbehandlung mit sehr hoher Frequenz (meist 1000-3000 Anschläge pro Minute). Sie werden besonders gerne im Profi- und Leistungssport genutzt, finden aber immer mehr Verwendung bei Hobbyathleten. Mit Hilfe dieser Pistolen lässt sich sehr einfach, gezielt und kraftsparend (da man sich nicht in anstrengende Stützpositionen begeben muss) einsetzen. Aufpassen sollte man hier jedoch bei der Nutzung im Hals und Kopfbereich aufgrund der starken Vibration und dass man nicht direkt auf Knochen arbeitet. Hier variieren die die Preise sehr stark. Man bekommt Massagepistolen schon für 40 Euro. Es gibt aber auch durchaus Geräte bis zu 600 Euro.
Meine Top 3 Faszienmassage-Tools samt Übung dazu
In meiner langjährigen Arbeit als Personal Trainer „stolpert“ man häufig über das ein oder andere neue Tool, Konzept und Philosophie. Man probiert selbst vieles im eigenen Training aus und gibt alle positiven Erfahrungen an die Klienten weiter. Diese Erfahrung möchte ich gerne an euch weitergeben, deshalb folgen hier meine Top 3:
1 ) Golfball für die Plantarfaszie unter dem Fuß. Die Behandlung dieser Verklebungen ist immer sehr schmerzhaft, hat mir aber innerhalb eines Monats geholfen meine Fersenspornprobleme aufgrund von Fußfehlstellungen fast komplett zu beheben. Die Fersensporne sind zwar nicht verschwunden, aber aufgrund dieser Faszienmassage haben sich die Verklebungen der Plantarfaszie und somit den Zug in der Achillessehne und der Wade zu fast 100 Prozent verbessert.
2 ) Kleiner Faszienball für die Verspannungen im Schulter-Nackenbereich und dem oberen Rücken. Durch die punktuelle Behandlung der Verklebungen der Brust und des Nackens konnte und kann ich immer noch eine direkte fühl- und sichtbare Verbesserung der Verspannung erreichen. Bei fast jedem, der diese Übungen macht, sind direkt nach der 2-minütigen Behandlung ein Absenken der Schulter und eine Verbesserung der Vorwärtsrotation der Schulter bzw. Aufrichtung des Brustkorbs zu sehen. Hierfür nutze ich den kleinen Faszienball direkt auf der Brustmuskulatur und dem seitlichen Bereich des Trapezmuskels.
3 ) BALLance Bälle von Frau Dr. Tanja Kühne für die Entspannung und Aufrichtung der Brustwirbelsäule sowie der Entspannung des Lendenwirbelbereichs. Diese werden durch Lagerungsübungen auf speziellen mit Federn verbundenen Fasiendoppelbällen erreicht. Der Erfolg ist nach jeder Behandlung messbar, da man durch die Dekompression der Wirbelkörper im Schnitt 1-3 cm größer ist. Die eingerundete Brustwirbelsäule (Kyphose) wird aufgerichtet und das ausgeprägte Hohlkreuz (Hyperlordose) sowie das nach vorne gekippte Becken werden deutlich flacher bzw. in eine neutralere Position gebracht. Gerade auf dem Boden liegend macht sich der Unterschied dann besonders mit dem Gefühl bemerkbar, dass man viel satter und flacher auf dem Boden liegt.
Hinweis zu alles Faszienübungen:
An dieser Stelle ist mir wichtig zu sagen, dass alle Übungen auf eigene Gefahr durchzuführen sind. Grundsätzlich kann man nicht viel falsch machen. Hört auf euer Gefühl und auf die Signale die euer Körper euch während der Durchführung gibt. Wenn sich etwas nicht gut anfühlt, dann ist es höchstwahrscheinlich auch nicht gut für euch. Das heißt aber nicht, dass die Faszienmassagen nicht auch schmerzhaft sein können bzw. müssen.
Aber es gibt diese Übungsschmerzen und diese nicht typischen Schmerzen. Schlussendlich kann ich nur empfehlen, dass ihr euch bei großer Unsicherheit bei einer Fachfrau oder Fachmann informiert oder eine entsprechende Expertin bzw. Experten aufsucht – seien es Physiotherapeuten, Osteopathen oder Personal Trainer etc.